Verkaufe ich ein Unternehmen oder bin ich das Unternehmen?
Mittwoch, 24.06.2020
Zahlreiche Statistiken, z.B. vom Institut für Mittelstandsforschung (IfM/Bonn), legen es nahe: es gibt in Sachsen eine große Anzahl an Unternehmen, die sich um einen Nachfolger bemühen. Die elementare Frage dabei ist jedoch, ob ein Unternehmen überhaupt übergabefähig ist und damit für einen Nachfolger ausreichend Potenzial enthält.
Neben reinen betriebs- und marktwirtschaftlichen Parametern wie Gewinnaussichten, Investitionsstand, Mitarbeiterdemografie, Produktportfolio oder Alleinstellungsmerkmalen sind auch strukturelle und weichere Faktoren zu berücksichtigen.
So sollte sich der Übergeber schon frühzeitig nicht nur um das berühmte „die Braut hübsch machen“ bemühen, sondern auch hinterfragen, welche eigene Rolle er im Unternehmen einnimmt. Was geschieht, wenn er selbst einmal längere Zeit nicht verfügbar ist? Liegt die Kernkompetenz im Unternehmen oder vorwiegend bei ihm selbst? Kaufen Kunden bei ihm oder beim Unternehmen? Es ist dabei ganz klar, dass der Inhaber das Unternehmen prägt wie kein Zweiter und es seine Handschrift trägt. Dennoch gibt es Unterschiede in der Ausprägung.
Der Nachfolgeprozess führt ohnehin zu großen Veränderungen und Umbrüchen in einem Unternehmen. Für einen Übernehmer ist es daher wichtig, einen Betrieb finden, der den Verlust der bisherigen Führungsverantwortung gut verkraftet und dabei keine Dauerbaustellen entstehen. Es steckt dabei allein schon in der Bezeichnung: führen. Führen bedeutet, Verantwortungen und Arbeiten abzugeben, Stellschrauben richtig zu drehen und ein produktives Umfeld zu schaffen. Mitarbeiter mit sinnstiftender Arbeit organisieren sich stärker selbst als reine Erfüllungsgehilfen. Ein Chef, der mit „anpackt“, ist lobenswert und wirkt sich in der Regel positiv auf das Betriebsklima aus. Doch das „Anpacken“ sollte nicht essentieller Bestandteil des Erfolges sein. Loslassen und deligieren lautet die Devise.
Diese Aufteilungen und Strukturen haben dabei weniger mit Umsatz oder Mitarbeiteranzahl zutun als viel mehr mit der Branche und dem gelebten Unternehmensleitbild. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Ausprägung z.B. in einem kleinen Ingenieurbüro oder einem kleinen Handwerksbetrieb weniger stark möglich ist, als in einem Produktionsunternehmen mit 30 Mitarbeitern. Dennoch lässt sich auch im kleinen Stück für Stück Zukunftssicherheit schaffen. Übergeben Sie Ihren Mitarbeitern z.B. kleinere Verantwortlichkeiten und lassen Sie diese damit stetig wachsen. Sie erkennen unbeachtetes Potenzial und ziehen sich im besten Fall sogar den Nachfolger intern heran. Verbessern Sie die Unternehmensidentität sowie Außenwirkung und verschieben Sie so die Aufmerksamkeit hin zu Ihrem Betrieb. Bringen Sie ausgewählte Mitarbeiter mit Ihren Lieferanten und Kunden in Kontakt. Lernen Sie, zu delegieren und Aufgaben abzugeben und installieren Sie eine Führungsebene unter Ihnen.
Wenn ein Übergeber bereits größere Komplikationen befürchtet und langfristige Vorplanungen bemüht, nur um sich eine Woche Auszeit zu gönnen, wird die Gesamtsituation bei einem dauerhaften Ausscheiden in der Regel nicht besser.
Ein Inhaber auf der Suche nach einem Übernehmer sollte sich darüber hinaus im klaren sein, dass die Wahrscheinlichkeit gering ist, einen Nachfolger zu finden, der das eigene Ebenbild darstellt. Eine Einarbeitungszeit gehört zwar in jedem Fall zu einer klassischen Nachfolge: Kennenlernen der Ablaufe und Mitarbeiter, Vorstellung bei den wichtigen Kunden und Lieferanten usw. Doch jeder Prozess, der ohne aktiven Beitrag des alten und neuen Inhabers weiter funktioniert oder nicht komplett neu installiert werden muss, vereinfacht den Vorgang.
Scheiden existenzielle Fähigkeiten, Verantwortlichkeiten oder Geschäftskontakte in erheblichem Maße mit dem alten Inhaber ebenfalls aus dem Unternehmen aus, reduziert sich der eigentliche Unternehmenswert entsprechend. Dabei kann ein Punkt nah des Liquidationswertes erreicht werden. Der Betrieb stellt nur noch eine Hülle dar, welche maximal das Fundament für etwas Neues bildet kann. Ein extremes Beispiel, dass uns allerdings täglich begegnet. Nicht zuletzt bei plötzlichen Notsituationen wie Krankheit oder Unfall wird mangelnde Vorbereitung schlagartig sichtbar.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Übergabefähigkeit jedes Unternehmens einzeln betrachtet werden muss und mehr darstellt, als die Bewertung des Betriebsergebnisses. Wir stellen immer wieder fest, dass eine nicht unerhebliche Anzahl an Firmen zum Zeitpunkt der konkreten Nachfolgebemühungen ganz klar nicht übergabefähig ist, zumindest nicht mit entsprechender Erfolgsaussicht. Dem kann allerdings frühzeitig gegengesteuert werden mit schrittweiser Umstellung interner Prozesse und Strukturen. Das eröffnet oft sogar neue Optionen, benötigt aber ein längeres Zeitfenster. Daher empfiehlt es sich, mit der Planung einer geordneten Nachfolge bereits einige Jahre vor dem avisierten Übergabetermins zu beginnen.
AUTOR:
Richard Schwarz
Geschäftsführer der Erfolgsvermittler GmbH
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