Die 3 Phasen der Selbstfindung auf dem Weg in die Selbständigkeit
Dienstag, 07.04.2020
Ein Gastbeitrag von RA Martin März
Unsere Erfahrungen haben gezeigt, dass jede Übernahme anders ist. Die Persönlichkeiten der Übernehmer sind stets einzigartig und unterscheiden sich von denen anderer Übernehmer. Die Erfahrungen und Einflüsse aus der Ausbildung und vielleicht dem Studium, der bisherigen Berufstätigkeit und der Branche, in denen sich die Übernehmer bewegen und in der sie suchen, spielen dabei ebenso eine Rolle wie die familiäre Prägung (sind Familienmitglieder Unternehmer), dem Alter und der aktuellen beruflichen Situation, bei der sich bei manchen die Frage stellt, ob das, was bisher bereits erreicht wurde (oder wo man gerade feststeckt) alles war oder ob irgendwo neue Herausforderungen warten, die angegangen werden wollen. Hinzu kommen weitere individuelle Größen wie die Liebe zur beruflichen Freiheit, der Wille eigene Ideen umzusetzen und die Bereitschaft, Neues zu wagen und Risiken einzugehen, wobei das Risiko kleiner wird, wenn die Planung der Übernahme langfristig, genau und nachhaltig erfolgt. Trotz der Einzigartigkeit eines jeden Übernahmevorgangs hat sich in den letzten Jahren für mich und unsere Partner ein grobes Muster herausgebildet, dessen Grundlage meine Erfahrungen und die der Netzwerkpartner sind und die sich aus zahlreichen Interviews, begleiteten Übernahmen und auch steckengebliebenen Transaktionen begründet. Demnach lassen sich die folgenden 3 Phasen der Übernahme skizzieren:
Phase 1: Orientierung
Der Übernehmer befindet sich in dieser Phase zumeist in abhängiger Beschäftigung. Die berufliche Situation ist auszuhalten oder aber auch durch Leidensdruck geprägt. Die Frage einer eigenen Selbständigkeit kommt auf. Es sind die gelegentlichen Träume von Freiheit, Selbstbestimmtheit und größerer finanzieller Unabhängigkeit, die hin und wieder in die Gedankenwelt eindringen. Angesprochen darauf, ob man sich das vorstellen könnte, wird das Thema bejaht und kommt zumindest in Betracht. Vertiefte konkrete Überlegungen werden aber noch nicht angestellt. Das Thema bleibt wage, vielleicht werden auch Familienmitglieder angesprochen und das Thema wird auf einer informellen und zunächst oberflächlichen Basis als eine von vielen Möglichkeiten behandelt. Das Thema wird aber - noch nicht - vertieft. In vielen Fällen verbleibt es bei Phase 1, der Übernehmer kommt nicht darüber hinaus.
Phase 2: Informationsbeschaffung
Ist die Lust auf Freiheit, Eigenverantwortung und höheres Einkommen entsprechend groß, schließt sich oftmals die Phase der Informationsbeschaffung an. Der Kandidat bzw. die Kandidatin bewegt sich in Richtung Selbständigkeit und gelangt an die gedankliche Schnittstelle, ob er oder sie mit wenig Risiko und finanziellem Einsatz einfach mal selber starten soll oder vielleicht ein bestehendes Unternehmen übernehmen soll. Die Informationsbeschaffung gleicht oft einer gelegentlichen Freizeitbeschäftigung. Es werden Beiträge im Internet verfolgt, Workshops besucht und probehalber werden schon einmal entsprechende anonymisierte Angebote durchgesehen und dazu überlegt. Zu der grundlegend positiven Betrachtung des Kandidaten in der vorherigen Orientierungsphase kommen nunmehr Risikoüberlegungen hinzu. Ängste können die Entschlussfreude dämpfen und teilweise blockieren. Unsicherheiten und Ängste lassen sich allerdings durch weitere Informationen und ein entsprechendes Durchdringen der einzelnen Themen reduzieren. Im Idealfall ist diese Phase gekennzeichnet durch eine beschleunigte und verdichtete Informationsbeschaffung, zunehmendem Kenntnisgewinn und Entwicklung hin zu einem festen Übernahmeentschluss. Oftmals bleibt der Kandidat oder die Kandidatin auch in dieser Phase hängen. Für und Wider blockieren sich. Bei einem „steckengebliebenen“ Kandidaten besteht die Gefahr sogenannter überhasteter Übernahmen, also kurz und unzureichend geplant und damit risikobehaftet. Das Ende der Phase 2 ist dadurch gekennzeichnet, dass sich der Kandidat oder die Kandidatin sagt: „Ich übernehme ein Unternehmen und werde die Umsetzung sorgfältig planen und angehen.“.
Phase 3: Umsetzungsphase
Das Ende der Phase 2 ist durch den Entschluss für die Übernahme gekennzeichnet. Der Kandidat oder die Kandidatin geht jetzt - mit der gebotenen Ruhe und Sorgfalt - die möglichen Optionen durch und zieht für die Bereiche, für die es notwendig ist, Berater hinzu. Ein zentrales Thema ist das Suchen und das Finden eines geeigneten Unternehmens. Manchmal verhält es sich so, dass der Kandidat oder die Kandidatin bereits in Kontakt zu einem Unternehmen steht, was er bzw. sie übernehmen möchte. Ratsam ist aber, weitere Optionen zu betrachten, die Angebote zu vergleichen, um sodann eine Entscheidung zu treffen und die Transaktion umzusetzen. Dabei kann es vorkommen, dass mehrere Anläufe vorgenommen werden, vielleicht nacheinander oder parallel mit verschiedenen Übergebern verhandelt wird. Die Abläufe bei jeder Umsetzung unterscheiden sich unter anderem anhand struktureller, juristischer, steuerlicher und personeller Vorgaben. Am Ende von Phase 3 steht die erfolgreiche Übernahme eines Unternehmens in die Hände und die Verantwortung eines Übernehmers.
Die beschriebenen Phasen verstehen sich, wie gesagt, nicht als starres Schema, sondern sind als Muster zu verstehen, bei dem Abweichungen und individuelle Besonderheiten stets immanent sind. Insbesondere Phase 2 ist im idealen Verlauf durch eine beschleunigte Informationsbeschaffung und eine Verdichtung von Erkenntnissen geprägt. Diese Phase ist, wie gesagt, auch besonders empfänglich für Fehler, insbesondere einer übereilten „Impulsivtransaktion“. Es gibt auch Persönlichkeiten von Übernehmern oder Gründern, die die vorgegebenen Phasen nicht durchlaufen. Diese Übernehmerpersönlichkeit ist durch einen sehr frühen und festen Entschluss zur Selbständigkeit oder Übernahme gekennzeichnet. Der Kandidat oder die Kandidatin beginnt quasi mit Phase 3, begibt sich sodann jedoch - zur Sammlung von Erfahrungen, zur Aneignung von Wissen und Fähigkeiten - in eine berufliche Laufbahn als Angestellter. Der Entschluss zur Übernahme besteht aber zu diesem Zeitpunkt bereits und muss nicht erst gefasst werden. Denkbar sind familiäre Einflüsse, etwa dass die Eltern, Großeltern oder ältere Geschwister selbst Unternehmer sind und das Bild des selbständigen Unternehmertums in dem Kandidaten oder der Kandidatin sehr früh fest verhaftet ist.
Information zum Autor:
RA Martin März ist als Partner bei der Kanzlei
SMF Rechtsanwälte & Steuerberater regelmäßig im Bereich Unternehmenstransaktionen und -gründung tätig.
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